Nica libre!

So jetzt sind wir in Nicaragua. Und ich, ich bin auf der Suche nach Brillengeschäften… Aufgewachsen in der Konrad-Wolf-Str. (Konrad Wolf = DDR-Regisseur) und zur Schule gegangen zwischen Sandinostr. (Sandino = nicaraguanischer Guerillaführer) und Simon-Bolivar-Str. (Simon Bolivar = den kennt jeder) liegt mir an unserem sozialistischen Bruderstaat seit meiner Schulzeit viel. Auch, da an die Wand des Speiseraums meiner Schule (der danach auch unser Mittagsschlafraum wurde) ein übergroßes Bild einer nicaraguanischen Landschaft mit Kindern, Bauern und natürlich Frauen gemalt war. Meine Schwester ging zur gleichen Schule und musste als Pionier Brillen für Nicaragua und seinen Präsidenten Ortega sammeln, obwohl sie gar keine trug. Meine Mutter hat sogar drei Brillen an das Spendenkomitee – wahrscheinlich ihrer Poliklinik – gegeben. Und nun habe ich einen Auftrag… Wieviele Brillen braucht Nicaragua wirklich???

Nicaragua ist arm. Das sieht man auf den ersten Blick. Auf den Straßen fahren Ochsenkarren und Pferdewagen, Industrie gibt es keine und wie meistens bei den ärmeren Länder spielt sich fast alles auf der Straße ab. Obwohl bei einer Arbeitslosigkeit von 70-80% Nicaragua zu den ärmsten Ländern Zentralamerikas zählt, wirken die Menschen sehr nett und hilfsbereit, wenn auch ein wenig zurückhaltend. Aber wenn sie in ihren Schaukelstühlen auf den Gehwegen schaukeln, bekommt man stets einen freundlichen Gruß und ein Lächeln. Dabei brachte die nicaraguanische Revolution ab 1979 neben sozialistischen Maximen wie Senkung des Analphabetismuses und Entwicklung des Gesundheitssystems und der Frauenrechte auch viel Leid mit sich. Der Befreiungskampf gegen die diktatorische Familie Somoza kostete zwischen 30.00 und 50.000 Menschen das Leben. Zu kommunistisch war die Entwicklung Nicaraguas. Ronald Reagan „veranlasste die Verminung des einzigen nicaraguanischen Pazifikhafens Corinto und die finanzielle und militärische Unterstützung der Contras, paramilitärische Gruppen… Das Geld zur Unterstützung stammte aus geheimen Waffenverkäufen der USA an den Iran … Die Contras versuchten, die Infrastruktur zu zerstören, unternahmen terroristische Überfälle auf die Landbevölkerung, legten Minen, verbrannten die Ernte, stahlen Vieh, um die Situation im Lande zu destabilisieren und die Bevölkerung zu verunsichern“ (Wikipedia).
Hier noch ein interessanter Aspekt, den ich zitieren möchte: „Die USA wurden für militärische und paramilitärische Aktionen in und gegen Nicaragua vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag zu einer Zahlung von 2,4 Milliarden US-Dollar verurteilt, erklärten aber den Gerichtshof für unbefugt, über die USA zu urteilen, obwohl sie selbst Richter an den Gerichtshof entsendeten“ (nochmal Wikipedia, zitiert von der „Jungen Welt“). Auch in West-Berlin gab es Symphatie für die Sandinisten, noch heute exsistiert eine Städtepartnerschaft www.staepa-berlin.de Nach 1990 wand sich Nicaragua dem Kapitalismus zu, mit Privatisierung der Wirtschaft und des Gesundheitssystems, Schließung von sozialen Einrichtungen wie Kindergärten und Erhebung von Schulgeld. Folglich gab es von den USA Lob für diese „Entwicklung“. Mittlerweile ist Ortega seit 2007 wieder Präsident, die USA haben immer noch nicht gezahlt, aber es gibt wieder kostenlose Bildung und Gesundheitsversorgung (haben Traveller aus Berlin berichtet) und kostenloses Mittagessen für die Schulkinder (laut Wikipedia). Ach ja und den Frauentag gibt es hier auch, jährlich…, auch heute!
Und nun sitze ich hier mit meinem „Nica libre“ (Rum blanco, Agua Soda y lemón) und proste Nicaragua zu. Auf dass die USA ihr Interesse an Dir endgültig verlieren und deine Menschen weiterhin so freundlich bleiben. Und das ihr genug Brillengeschäfte habt… (mit Inhalt, versteht sich). Salud!
Miss San Blas

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