Wasn Tag!

Dieser Bericht ist allen Motoradfahrern gewidmet, die genau solche Tage erleben und trotzdem schon ihre nächste(n) Reise(tage) planen.

Also, der Plan war einfach. 370 km bis kurz vor Tikal, um am nächsten Tag an den großen Maya-Feierlichkeiten teilzunehmen. Die Finnen sind zwei Tage vor uns die Strecke gefahren und hatten uns den Weg beschrieben: zuerst 40 km gute Schotterpiste, ab dann ist alles asphaltiert, Flussüberquerung mit der Fähre in Sayaxché, danach nur geradeaus – dauert, ist aber gut machbar.

Wir entschieden uns, früh loszufahren. Also pünktlich um 7 Uhr aus dem Bett, Sachen zusammengepackt, 8 Uhr abfahrbereit, vorher noch schnell Frühstück. O.k., das dauerte gleich mal bis kurz vor neun, denn zu einem anständigen Frühstück in Guatemala gehört ein Stück Fleisch und das muss ordentlich zubereitet werden. Also dann eben um 9 Uhr los. Wir hatten noch 10 km Piste mehr vor uns, denn wir hatten Lanquin und Semuc Champey besucht, was abseits der Hauptstrecke liegt.

Dieser Umweg war schnell und gut gefahren. Puh! Aber was war das. Kaum sind wir auf der gut zu befahrenden Piste, da ist bereits eine Baustelle (lateinamerikanischer Art versteht sich!) und Fred liegt auch schon mit seiner Maschine im tiefen Schotter. Super! Unser erfahrenster Mitfahrer, er sollte später am Tag noch die 100.000 km umrunden, wird ausgeknockt. Nun, der Rest der Bande entscheidet sich dafür, dass der Weg erst einmal mit der Walze platt gemacht werden soll. Dauert drei Minuten und ermöglicht uns eine gute Passage der Baustelle.

Also weiter. In irgendein Städtchen rein, da die erste Abzweigung rechts. Geht nicht, da ist Markt, die zweite Einfahrt ist mit Autos blockiert. Sieht aus wie ein Streik. Aber überall steht „Bam Bam Bam“, alles komisch. Der freundliche Polizist meint, da hinten lang. Also wir durch den Markt, alles sehr eng, man muss sehr konzentriert fahren, damit man niemanden umfährt. Und da sehen wir auch den Grund für die Sperrung: ein Marathon. Durch die Tropenhitze! Sind die noch ganz sauber? Und warum rennen die Läufer uns immer auf der Spur entgegen, auf die wir gerade gewechselt sind? Mittlerweile bin ich doch recht angespannt. Die Läufer kommen aus ihrem Rhythmus und ich habe keinen mehr. Also entscheide ich mich, den Läufern zuzujubeln (zumindest so wie das mit einer Hand geht). Und es klappt, die Läufer kommen an mir vorbei gerannt, um mir „High Five“ zu geben und ich bin wieder besserer Stimmung. Ein Militärwagen kennzeichnet das Ende des Laufs. Also weiter. Aber wir schaffen nur 20 km. Da ist schon wieder eine Baustelle. Diesmal Vollsperrung. Um 11 Uhr geht’s weiter? Nein, um 12 Uhr… Also anderthalb Stunden Pause.

Die gehen recht schnell vorbei. Und schon müssen wir uns beeilen, loszufahren, denn auch in Zentralamerika bedeutet es nichts, vorne in der Reihe zu stehen. Mit Sicherheit wird man noch vor Öffnung der Absperrung von Pickups oder LKWs überholt. Fette Steine liegen am Rand und plötzlich schau ich in den Rückspiegel, da liegt Patrick mit seiner Maschine am Boden. Irgendwie blieb die linke Box an einem Stein hängen, riss die Maschine in die andere Richtung und blieb am Scheitelpunkt des Abgrundes liegen. Das war knapp. Die Insassen des folgenden Busses waren schnell zur Stelle und konnten Patricks Maschine retten. Zum Glück gab es keinen Personenschaden. Die Box musste provisorisch repariert werden und schon konnte es weitergehen. 13 Uhr! Wenn wir jetzt endlich Asphalt erreichen, kommen wir zwar knapp, aber noch rechtzeitig an unserem Zielort an. Langsam kreisten meine Gedanken um „Hermano Pedro“.

Und da war er endlich. Der ersehnte Asphalt. 50 km in nur 4,5 Stunden (inkl. Baustellenpause), das ist nicht schlecht… Also jetzt die Kurven gut ausgefahren, rechts auf eine weitere Asphaltstrecke und nur noch Kilometer herunterreißen. Aber unsere Fahrlaune wurde getrübt. Wieder eine Baustelle. Schotter, Sand und anderes Gestein. 

O.k. die Finnen hatten angemerkt, dass es „roadwork“ gibt, also alles im grünen Bereich. Aber wer war denn da schon wieder umgekippt und lag am Boden. Roman diesmal. Hatten wir ihn nicht beim „Crashkurs Gravelroad-Fahren in Südamerika“ instruiert: Kein Spurwechsel im Schotter!!! Scheinbar nicht. Aber zum Glück blieb auch diesmal alles heile. Also weiter. 10 km, 20 km, 30 km – wann ist denn endlich diese besch… Baustelle zu Ende. Also rechts rangefahren und gefragt. „Entschuldigung, wo geht’s nach Sayaxché?“ Antwort: „Sayaxché, das liegt 80 km in der Richtung aus der ihr kommt.“ Nein, das muss ein Sprachproblem sein, das Navi hat gesagt, rechts fahren und dann machen wir das auch… Dem ist bloß leider scheinbar viel zu warm geworden und hat im Hitzeschock einfach eine andere Route berechnet. Wir waren auf dem Weg zur Grenze nach Belize. An sich nicht falsch, bloß drei Tage zu früh. Also mussten wir in den sauren Apfel beißen und weitere 30 km Piste, mit zeitweise recht großen Schlaglöchern, fahren. Aber nun, halb vier nachmittags, noch 180 km zu fahren, da war sie, die Straße, die uns ein weiteres Mal direkt ans Ziel bringen sollte. Schnell getankt und etwas getrunken. Und das stille Örtchen aufgesucht. Und ab die Post. Wenn wir jetzt durchschnittlich 80 km/h fahren, kommen wir noch vor der Dunkelheit an. Das ist oberstes Gebot wenn man in Zentral- und Südamerika unterwegs ist. Mein Gedanke: Hermano Pedro!

Die Hälfte der Kilometeranzahl lag schnell hinter uns. Bloß was war das dort vorne am Horizont? Jana zu Patrick: „Ist das Regen?“ Antwort Patrick: „Das ist ein Gewitter!“ WAS? Hier ist Trockenzeit, Regenzeit fängt doch erst im Mai an!! Nein, das durfte nicht wahr sein. Wir fuhren einfach weiter, vielleicht hatten wir ja Glück und der Kelch ging an uns vorbei. Und da war er auch schon der erste Regentropfen. Wir fuhren gegen die Zeit, gegen den Regen, der jetzt stärker wurde und gegen den Wind, den man nicht mehr weg reden konnte. Und da war er, der Wolkenbruch. Also Stelle suchen, um sich etwas regenresistenter anzukleiden. Klitschnass waren wir schon. Jetzt die Entscheidung, es war schon dämmerig und wegen des Regens eh dunkler. Unterkunft suchen oder weiter. Die Uhr zeigte irgendetwas zwischen fünf und sechs. Wir hielten uns an das Prinzip, schlimmer geht nimmer. Meine Hoffnung war Hermano Pedro.

Aber, man glaubt es kaum, es wurde schlimmer. Ich meine, es war ein tropischer Sturm, zumindest sah es danach aus, wenn man die umgeknickten Bäume auf der Straße liegen sah. Ich bekam es ein bisschen mit der Angst zu tun, als ich mir die Strommasten und die hin und her schwankenden Bäume betrachtete. Aber auch das hatte ein Ende, denn ich sah nun trotz deutlich reduzierter Geschwindigkeit gar nichts mehr. Fred und ich fuhren an den Straßenrand, die beiden anderen waren uns bei unserem Schneckentempo davongefahren. Nur wenige Minuten später kam Hermano Pedro, nein ich meine, Patrick und verkündete die Botschaft: „Einen Kilometer weiter ist es trocken!“ Na dann mal los. Und wir fuhren und fuhren und fuhren, was das Zeug hält. Im Hellen haben wir El Remate nicht mehr erreicht. Aber das war uns egal. Wir haben es immerhin erreicht. Und die Zimmer im Hostal „Hermano Pedro“, die wir zum ersten Mal auf dieser Reise (nein, das ist kein Urlaub!!) vorgebucht hatten – wegen des Maya-Festes versteht sich –, waren noch frei! Überglücklich angekommen zu sein, wurde uns folgende Nachricht übermittelt: Aktuell ist Stromausfall, wahrscheinlich noch für weitere 2-3 Stunden, ach ja und fließend Wasser gibt es auch nicht. Egal, wir waren angekommen, nur das zählte! Dass das Maya-Fest schon an diesem, jenem Tag stattfand und nicht erst einen Tag später, war auch zur belanglosen Nebensache degradiert. Hungrig waren wir, zum Essen blieb an diesem Tag keine Zeit. Im Restaurant waren sich dann alle einig: Was für ein Tag!

Jana und Supertranse, die an diesem Tag Kopf und Spiegel oben behielten 😉


Posted in Zentralamerika by with 4 comments.

Pingbacks & Trackbacks

    Schreibe einen Kommentar

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert