Teil 4: Großer Apfel – Kleiner Apfel

So wo waren wir? Ach ja, Chicago lag hinter uns und wir unaufhaltsam unterwegs in Richtung der wohl bekanntesten Stadt der Vereinigten Staaten. Aber vorher hieß noch ein wenig auf den alten Spuren wandeln.

Michigan war mir als schöner Flecken Erde in Erinnerung geblieben und so ging es um den Lake Michigan herum hinein in diesen Bundesstaat. Wie eine große Landzunge ist er umgeben von den großen Seen und bietet dadurch ein mildes Klima. Genau das richtig, um bei den warmen Temperaturen etwas Abkühlung zu finden. Entlang der Küste ging es auf der einen Seite hinauf bis nach Mackinac City und auf der anderen Seite wieder hinab nach Ann Arbor. Dicht bei Mackinac City liegt das kleine Eiland Mickinaw Island, an das ich noch sehr gute Erinnerungen hatte. Also verbrachten wir einen Tag damit, die Insel zu erkunden und uns nach der vielen Fahrerei mal wieder die Beine zu vertreten. Die Insel ist alles andere als amerikanisch. Ok, es gibt Starbucks, aber hier dürfen keine Autos fahren. Hallo, kein Drive-Thru? Nicht ein einziger und das macht das Verweilen an diesem Ort sehr angenehm. „Gestört“ wird man als Füßgänger nur durch Fahrradfahrer und Pferdewagen. Hat jetzt nichts mit Mormonen zu tun, sondern ist alles ganz modern. Sogar ein Grand Hotel gibt es hier, mit der längsten Außenterrasse (der Welt? wahrscheinlich). Und das Ganze ist dann auch fast historisch, weil es die Insel so schon seit 1873 gibt und die Autofreiheit seitdem nicht umgeworfen wurde. Sehr zur Freude der sich hier jährlich erholenden Gäste.

Ann Arbor ist eine Studentstadt, hier befindet sich die Universität von Michigan, was dem Ort mal wieder ein junges und angenehmes Flair verleiht. Die Unigebäude muten teilweise alten englischen Bauten an. Leider wurde viel gebaut und saniert, so dass wir mehr Gerüste als sehenswerte Gebäude sehen konnten. Dafür war der Campus belebt und wir konnten ein wenig von dem intellektuellen Geist in uns aufsaugen. Noch ein guter Ausgleich gegen zuviel Motorradfahren.

Und dann passierte. Irgendwie wartete ich schon die ganze Zeit darauf. Der Riesengau oder zumindest so etwas wie ein größeres Problem, das sich nicht so leicht lösen liese. Ok, da war der platte Reifen irgendwo in den Rocky Mountains gewesen. Aber der ging mit 90Minuten Reparaturzeit viel zu glatt durch. Dann war da noch der offene Punkt der Motorradrückverschiffung nach Deutschland. Der wollte einfach nicht voran schreiten. Aber der hatte noch Zeit und ich hatte ja bereits ein paar Firmen an der Angel. Es standen nur noch die Angebote und Details aus. Mmmmh, sah ich es zuerst oder Nicole? Ist auch egal, jedenfalls sah das hintere Zahnrad gar nicht gut aus – runtergefahren als wären wir schon 20’000km seit dem letzten Wechsel unterwegs. Und da hatte ich meine zunächst unlösbare Aufgabe. Denn der Versuch einen Ersatz käuflich zu erwerben, schlug mit der Bemerkung des Fachmanns hinterm Tresen fehl: „Wenn sie nicht genau wissen, welches Zahnrad sie brauchen, kann ich ihnen auch nicht helfen. Und wenn dieses Rad hier (in den USA) gar nicht verkauft, dann werden sie so einfach kein Ersatzteil bekommen. Und auf Lager haben wir sowas schon gar nicht…“ Many thanks, wo waren meine hilfsbereiten und stets freundlichen Lateinamerikaner, wenn ich sie brauchte?

Nach Rücksprache mit dem Mechaniker daheim, war die unkomplizierteste Lösung, Gabi bringt ein neues Zahnrad mit, wenn sie nach New York kommt. Ich war mit ihr dort verabredet, um zwei gemeinsam Motorrad zufahren. Und es waren nur noch 4 Tage bis zu ihrem Abflug. Wir entschlossen uns den Weg bis New York direkt zu fahren, geschmeidig, mit viel Öl auf der Kette und sanftem Gas, um das Material so gut wie möglich zu schonen. Gezittert habe ich jeden Tag, ob wir es schaffen. Am Ende ging alles glatt und wie Nicole richtig meinte, wir mir dieser Fehler nicht mehr passieren. Stets den kompletten Kettensatz austauschen, ich habe es nun verstanden.

Dafür war New York City in 3 Tagen erreicht und wir hatten eine ganze Woche Zeit uns dort zu vergnügen. Mit Gabi im Schlepptau ging es unter anderem den Broadway auf und ab, durch unzählige Klamottenläden, durch den Central Park mit dem Fahrrad, mit der Fähre nach Staten Island und die Freiheitsstatue aus der Ferne anschauen. Es gibt unzählige Ecken, die man sich in dieser großen Stadt anschauen kann. Und so auch noch genügend übrig, wenn ich die letzten Tage vor meiner endgültigen Abreise aus den USA dort verbringe. Einen halben Tag spendierte ich für die erneute, aber nun komplette Auswechslung des Kettensatzes. Über drei Ecken bekam ich Kontakt zu Euvin, einem Schrauber in Brooklyn und mit unseren vier Händen war die Arbeit schnell erledigt. Seine gute ausgestattete Werkstatt bot zudem ein bequemes Arbeitsumfeld. Das Konzept seiner Garage ist zudem interessant, als das Raum in New York City äußerst rar ist. Er ist mehr durch Zufall an diese Gerage geraten und hat daraus eine Art gemeinschaftliches Projekt entwickelt. Die Leute können hier ihre Maschine abstellen (passen gut ein Dutzend Räder rein) und dann gemeinsam an ihren Maschinen schrauben, fachsimpeln, sich austauschen und dazu lernen. Er selbst hatte am Anfang, genau wie ich, keine große Ahnung, wie ein Motorrad zerlegt und wieder zusammengesetzt wird. Inzwischen haben sie ein ziemlich herunter gekommenes Rad restauriert und neu aufgebaut.

Kette gut – alles gut, Lila schnurrt wieder wie die Katz und läuft als wäre nichts gewesen 🙂

 

Roman


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