Schlaaaand!!!

Wenn man in einem Land, fern der Heimat, laufend Menschen in Deutschlandtrikots, derlei Trainingsanzügen, Trachten und / oder Tirolerhut sieht, kann eigentlich nur Fußball WM sein. Richtig komisch wird’s allerdings, wenn in diesem Landstrich des besagten fernen Landes das Nachmittagsgebäck „Kuchen“ heißt, die Biermarke „Kunstmann“ oder „Haussmann“ und die Restaurants „Bauernstübel“, „Hexe und Feen“ oder „Blumen Dorf“. Angst bekommt man, wenn es dazu noch ein Museum der deutschen Kolonisation entdeckt. Wir sind trotzdem rein gegangen. Freilichtmuseum in Frutillar, mit ungefähr sechs Häusern, die denen der ersten Siedler der Gegend nachempfunden sein sollen, die Deutsche waren. Der Wiederaufbau wurde freundlich gesponsert von der Bundesregierung in treuer Freundschaft der Deutschen zum chilenischen Volk – oder so ähnlich. Alles ziemlich heroisch. Alles sehr positiv. Und man mag die Deutschen in dieser Ecke offenbar tatsächlich besonders gern. In Valdivia organisiert die Feuerwehr gemeinsam mit der oben schon genannten Brauerei „Kunstmann“ (dort ansässig) jedes Jahr ein „Bierfest“, mit bayerischer Schunkelmucke, deutschen Hits der 50er, die kein Mensch versteht, Dosenwerfen und Entenangeln. Großes Ereignis. Alles irgendwie skurril und lustig und sicher (kaum?) etwas, für eine wissenschaftliche Arbeit zum Thema „Deutschlandbilder im außereuropäischen Ausland“. Aber auch das: Ein etwa 60 Jahre alter Mann fragt uns, was uns aus dem fernen Berlin nach Chile verschlage. Er redet akzentfrei Deutsch und doch stellt sich heraus, dass er Chilene ist, der lediglich fünf Jahre in Berlin ‑ „dem Westteil“ ‑ gelebt hat. Woher das gute Deutsch? Lassen wir ihn selbst antworten: „Meine Eltern haben sehr viel Wert auf das Deutsche gelegt.“ Okayyyy……
Fassen wir zusammen: Wir haben mit der Insel Chiloé, Puerto Montt, Frutillar und Valdivia Orte besucht, die ehedem von Deutschen mit erschlossen wurden, was man diesen heute noch hoch anrechnet. Vermutlich zu Recht. Dass sich da in späteren Zeiten andere Motive der Übersiedlung untermischten, die mit einer weniger heroischen Ära deutscher Geschichte zu tun haben, darf man aber zumindest anmerken. Schön ist die Gegend in jedem Fall und wir haben endlich auch den Pazifik richtig bewundern können! Sieht aus wie ein richtiger Ozean, mit richtigen Wellen und richtigem Strand… halt, nein, der Strand ist meistens schwarz. Das ist nun wirklich nicht das, was man sich unter einem richtigen Strand vorstellt. Aber dafür waren kaum Menschen drauf, abgesehen von ein paar Campern. Auch cool.

Und um der Überschrift noch ein wenig gerechter zu werden: Am Samstag haben wir über Internetradio die erste Halbzeit der Bundesliga als Konferenz verfolgt. Fast wie zuhause und vor allem fast wie früher auf dem Bassumer Hypothekenhügel: Samstag 15.30 Uhr, auf den Auffahrten der Einfamilienhäuser stellen Familienväter Schlauch, Wassereimer und Schwamm bereit, öffnen die Türen ihrer Autos, stecken den Schlüssel ins Zündschloss, drehen ihn gerade weit genug, bis das Radio anspringt und pegeln die Lautstärke so, dass nicht nur sie, sondern auch der Rest der Nachbarschaft, von Kevin Keegans Tor in Echtzeit erfahren. Traumhaft!
Freilich – auch ein geiles Wort, oder? – haben wir uns rechtzeitig auf die Motorräder gesetzt, um einerseits noch etwas von der Gegend zu sehen und zum anderen die Tore des Clubs gegen den HSV nicht mehr erleben zu müssen.

Der Weg wird uns nun von Pucón (heftig touristischer Ort mit schönem Sonnenuntergang) durch eine Gegend mit einigen Vulkanen führen, die wir sehen können, wenn der Wettergott es gut mit uns meint. Landen werden wir dann nach einer Langetappe in Valparaiso und von dort geht’s Richtung Mendoza in Argentinien. Mal so zur Orientierung. Also, immer schön dran bleiben! Und Grüße aus der Ferne!


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